Für meinen ersten Blogartikel hab ich mir mein Herzensthema ausgesucht! Ein Thema, das zum Nachdenken anregen und vor allem mich selber auch wieder an das Wesentliche am Elternsein erinnern soll. "Lassen wir unsere Kinder doch einfach Kinder sein!" Dieser Satz liest sich doch eigentlich ganz einfach, aber als Mama von zwei Jungs weiß ich, dass es nicht immer einfach ist.
Meine Trainerinnentätigkeit im Bereich Legasthenie und Lese-Rechtschreibschwäche hab ich vor ungefähr 10 Jahren begonnen. Ein paar Jahre bevor meine eigenen Kinder eingeschult wurden. Ich durfte Schüler*innen mit vielen unterschiedliche Stärken, persönlichen Themen und Interessen kennenlernen. Kinder und Jugendliche die so wunderbar vielfältig waren aber im Schulsystem als "auffällig" galten. Auffällig, weil sie noch nicht so gut lesen oder schreiben konnten, wie andere in der Klasse. Auffällig, weil sie kaum still sitzen und dem Unterricht nicht folgen konnten. Auffällig, weil die Schrift nicht lesbar war. Auffällig weil sie sich in der Klasse wenig integriert haben. (Die Liste könnte ich hier noch lange weiterführen, aber würde für diesen Artikel den Rahmen sprengen.) Schnell wurde seitens der Schule ein Verdacht auf Legasthenie oder ADHS ausgesprochen mit der Bitte, die Eltern sollen sich und ihrem Kind rasch professionelle Hilfe suchen.
Und genau hier sind wir nun an einem Punkt, der mich persönlich sehr nachdenklich macht. Denn ab dem Zeitpunkt, in dem ein Verdacht oder gar eine Diagnose ausgesprochen wird, können wir unsere Kinder nicht einfach nur mehr Kinder sein lassen. Plötzlich dreht sich vieles im Alltag nur mehr um das eine Thema und die Kinder oder Jugendlichen wurden erflogreich in eine Schublade gedrängt. Sie spüren in der Schule und auch zuhause, dass sie anders sind, dass sie Hilfe benötigen die fälschlicherweise auch als Therapie bezeichnet wird. Und genau hier liegt die Ursache von jenen Themen, die die Schüler*innen in meine Trainingseinheiten mitbringen.
Auch bei meinen eigenen Kindern musste ich ähnliche Erfahrungen machen. Bei uns war es im Kindergarten, als unser Sohn gerade mal drei Jahre alt war. Bei einem Entwicklungsgespräch wurde mir gesagt, dass unser Kind möglicherweise eine Dysgrammatismusstörung hat. Es wurde mir auch nahegelegt, eine/n Sprachheilpädagog*in aufzusuchen um die sprachlichen Defizite aufzuholen. Viele Worte in diesem Gespräch haben mich schockiert. Bei einem gesunden und glücklichen Dreijährigen von Störungen und Defiziten zu sprechen sind meiner Meinung nach respektlos, unprofessionell und absolut fehl am Platz. Weiter ging es dann in der 1. Klasse Volksschule, als uns kurz nach dem 1. Semester bei einem Elterngespräch mitgeteilt wurde, dass unser Sohn eine massive Rechenschwäche habe. Ich solle mir doch rasch mit ihm einen Termin in einem renommierten Institut ausmachen um ihn austesten zu lassen. Die Visitenkarte mit den Kontaktdaten des Instituts wurde mir mit weiteren Übungsblättern für zu Hause gleich mit überreicht. Von einer Dysgrammatismusstörung oder sprachlichen Defiziten war hier nicht mehr die Rede. Nach beiden Gesprächen hab ich auf mein mütterliches Bauchgefühl gehört und auf meine Erfahrungen als Sonder- und Heilpädagogin als auch Legasthenietrainerin vertraut. Ich habe unseren Sohn weder in einem Institut austesten lassen noch habe ich eine/n Sprachheilpädagogi*in aufgesucht. Wir haben unser Kind weiterhin ein Kind sein lassen, mit all seinen Stärken und Fähigkeiten und ihn liebevoll und wertschätzend in seiner Entwicklung begleitet. Wie es mir emotional nach diesen Gesprächen ging, ist eine andere Geschichte und erzähle ich euch gern in einem weiteren Blogbeitrag.
Und immer wieder habe ich mir dieselben Fragen gestellt: Warum werden bei Kindern von klein auf immer nur Schwächen und Defizite gesucht? Warum kann unsere Gesellschaft nicht jedem einzelnen Kind seine eigene persönliche Entwicklung zugestehen? Warum müssen wir für unsere Kinder professionelle Unterstützung suchen? Lassen wir unsere Kinder doch einfach Kinder sein!
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