Atmen gegen die Angst – Wie Atemübungen bei Prüfungsstress helfen können
Prüfungsangst ist kein Randthema. Viele Kinder und Jugendliche erleben sie regelmäßig – manchmal sichtbar, oft ganz still. Während sich der Körper anspannt und der Kopf leer wird, wächst der Druck. Und mittendrin steht ein Kind, das sich eigentlich vorbereitet hat – und nun merkt: Ich komme an mein Limit.
Doch es gibt Werkzeuge, die nicht von außen kommen müssen, sondern von innen wirken. Eines der wirksamsten – und zugleich unterschätztesten – ist der Atem.
Warum die Atmung bei Angst so entscheidend ist
Wenn das Gehirn Stress registriert, aktiviert es automatisch das sogenannte sympathische Nervensystem – den „Alarmmodus“. Das Herz schlägt schneller, die Muskulatur spannt sich an, die Atmung wird flach und kurz. Für den Körper ist das eine Art „Flucht- oder Kampfmodus“ – nützlich bei echter Gefahr, aber hinderlich in einer Prüfungssituation.
Gleichzeitig wird der präfrontale Kortex, der Teil des Gehirns, der für logisches Denken, Konzentration und Problemlösung zuständig ist, heruntergeregelt. Genau deshalb erleben viele Schüler*innen in der Prüfung einen „Blackout“ – obwohl sie den Stoff eigentlich beherrschen.
Das Gute ist: Der Atem wirkt direkt auf dieses System. Mit ruhiger, bewusster Atmung lässt sich das vegetative Nervensystem beeinflussen – und damit die gesamte Stressreaktion. Das parasympathische Nervensystem, also der Teil, der für Ruhe und Regeneration zuständig ist, wird aktiviert. Der Herzschlag beruhigt sich, der Muskeltonus sinkt, und das Gehirn bekommt wieder Raum zum Denken.
Was Atemübungen bewirken können:
-
Sie regulieren das Nervensystem
-
Sie schaffen Fokus und Präsenz
-
Sie wirken angstlösend und entspannend
-
Sie stärken das Gefühl von Selbstwirksamkeit
-
Sie bringen das Kind zurück ins Hier und Jetzt
Und das Beste: Der Atem ist immer da – kostenlos, unauffällig und überall einsetzbar.
Vier Atemübungen aus dem Hatha Yoga, die bei Prüfungsangst helfen können
Diese klassischen Pranayama-Techniken stammen aus dem Hatha Yoga. Sie wirken nicht nur körperlich entspannend, sondern stärken auch langfristig die emotionale Selbstregulation – besonders dann, wenn sie regelmäßig geübt werden.
1. Nadi Shodhana – Die Wechselatmung
Diese Atemübung bringt beide Gehirnhälften in Balance, beruhigt das Nervensystem und stärkt die Konzentration.
So geht’s:
Abwechselnd durch ein Nasenloch ein- und ausatmen, indem das andere sanft verschlossen wird. Eine Runde besteht aus: links ein – rechts aus – rechts ein – links aus. Nimm dazu den Daumen (rechtes Nasenloch) und den Ringfinger (linkes Nasenloch) deiner rechten Hand. 5–10 Runden genügen.
Für Kinder kann sie spielerisch vermittelt werden, z. B. als "Atemwellen".
2. Bhramari – Die Bienenatmung
Diese Technik wirkt besonders bei innerer Unruhe, Nervosität oder Grübelgedanken. Das Summen beruhigt das Nervensystem und hilft, sich zu zentrieren.
So geht’s:
Tief einatmen, dann mit geschlossenen Lippen und geschlossenen Augen summend ausatmen. Die Vibration kann im Kopf, Gesicht und Brustkorb gespürt werden. 5–7 Wiederholungen sind ausreichend.
3. Sheetali – Die kühlende Atmung
Diese Atmung hilft, emotionale Überhitzung, Wut oder innere Anspannung zu regulieren. Sie kühlt den Körper und klärt den Kopf.
So geht’s:
Durch die gerollte Zunge oder gespitzte Lippen einatmen und durch die Nase wieder aus. Die Einatmung soll sich frisch und beruhigend anfühlen. 5–10 Atemzüge wirken oft schon deutlich.
4. Dirgha Pranayama – Die vollständige Yogaatmung
Diese Atemtechnik stärkt die Selbstwahrnehmung und verankert das Gefühl: Ich bin ganz bei mir. Sie ist besonders gut, um Nervosität vor Prüfungen abzubauen.
So geht’s:
In drei Phasen einatmen – zuerst in den Bauch, dann in den Brustkorb, dann in das Schlüsselbein. Danach langsam und vollständig wieder ausatmen. Die Hände können zur Orientierung auf Bauch und Brust gelegt werden.
Wichtig: Prüfungsangst lässt sich nicht „wegatmen“ – aber begleiten
Atemübungen sind also kein Ersatz für Unterstützung oder Verständnis. Aber sie sind ein kraftvoller Weg, wie Kinder und auch Erwachsene lernen können, mit Stress umzugehen – mit dem, was sie ohnehin immer bei sich haben: ihrem eigenen Atem.
Kommentar hinzufügen
Kommentare